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Tot - Einfach so!

Es ist schon eine Weile her, dass wir zwei unserer drei Junghähne geschlachtet haben. Der dritte Hahn, ein wunderschöner blauer darf bleiben. Er hat ein sanftes Wesen und nimmt seine Aufgabe, die Mädels zu beschützen und ihnen zu zeigen, wo Nahrung zu finden ist sehr ernst. Uns gegenüber ist er stets freundlich. Vermutlich liegt es auch daran, dass wir ihn nie provozieren.

Es sind seine Mädels, das respektieren wir.

Seit er alleiniger Hahn ist, ist wieder Harmonie in unsere Hühnerschar eingekehrt. Es macht Freude, sie zu beobachten. Unsere Orpis scheinen feste Strukturen im Alltag zu haben. Es gibt klare Zeiten, wann sie nach Würmern und Insekten scharren; Zeiten, wann sie unbeschwert ein Staubbad nehmen; Zeiten, wann sie zusammen kuscheln… Es wirkt beinahe so, als wären Sie „berufstätig“.

Inzwischen haben wir die Vorurteile vom „dummen Huhn“ längst hinter uns gelassen. Hühner sind ausgesprochen clever in dem was sie tun. Außerdem können Sie uns verdammt gut einschätzen.

Orpingtons sind sehr gute Beobachter.

So steht der Hahn im Garten und kräht, wenn er mich mittags am Küchenfenster entdeckt. Er weiß nur zu gut, dass auf diese Weise ein Zwieback oder eine andere Leckerei aus dem Fenster fällt…

Heute ist wieder so ein Tag. Der Hahn steht mitten im Garten, schaut zu mir herauf und bittet um eine Leckerei, die er – ganz Gentleman – mit seinen Mädels teilt. Danach begeben sich alle zufrieden ins Staubbad und entspannen. Mein Mann hat nachmittags noch im Garten zu tun. Die Hühner laufen ihm hinterher, immer neugierig, was er denn so macht…

Inzwischen ist es Abend geworden. Es ist dunkel. Die Hühner suchen jeden Abend Schutz im Offenstall.

Es ist ein liebgewonnenes Ritual geworden, dass wir unsere Hühnis „ins Bett bringen“.

Sicherlich steht der Schlafstall jederzeit offen, aber ohne unser Vorbeikommen, ein paar Leckereien und liebe Worte, gehen die Hühner nicht schlafen. Nicht nur die Hühnis finden das gut, wir genießen dieses Ritual ebenso.

Ich sitze im Wohnzimmer, als mein Mann hereinkommt. Er ist kreideweiß im Gesicht und sagt:

„Unser Hahn ist tot!“

Ich frage ungläubig: „Wie? Der Hahn ist tot? Der hat doch eben noch im Garten gespielt!“ Erschrocken stehe ich auf und wir gehen gemeinsam zum Hühnerstall. Der Hahn liegt – augenscheinlich unversehrt – im Offenstall. Er ist von einem (niedrigen) Sitzbrett in die weiche Einstreu gefallen und liegengeblieben.

Wir sind fassungslos!

Was ist passiert?! Er war doch eben noch fit und zufrieden. Ist er von einem anderen Tier angegriffen worden? Beim Herunterfallen in die weiche Streu kann er sich definitiv nicht verletzt haben. Wir beschließen, ihn näher zu untersuchen. Vorsichtig nehmen wir ihn hoch. Zu dem Zeitpunkt weigere ich mich zu glauben, dass er tot ist. Bestimmt ist er nur bewusstlos. Sicherlich kommt er jeden Moment wieder zu sich und alles ist gut. Leider erfüllt sich die Hoffnung nicht. Der Hahn ist tatsächlich tot.

Er hat keinerlei Macken, er blutet nicht. Sein plötzlicher Tod ist ein großes Rätsel.

Mein erster Gedanke ist: „Fragen wir doch die anderen Hühnerzüchter. Die können uns ganz bestimmt etwas dazu sagen.“ Ich frage in einer Hühnerzüchter-Gruppe nach. Ohne Erfolg.

Niemand scheint antworten zu wollen.

Offenbar stehe ich mit beiden Beinen in einem Fettnäpfchen. Es gibt Dinge, über die spricht man nicht. Ein totes Tier gehört definitiv dazu. Nach langem Zögern erklärt mir jemand, dass ich den Hahn in Münster obduzieren lassen kann. Dort gibt es das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt. Allerdings könne ein toter Hahn auch Geflügelpest haben, dann hätte ich ein echtes Problem – mit den Behörden. Hinter vorgehaltener Hand sagt mir jemand, dass der Züchter, bei dem ich die Bruteier gekauft hatte, vielleicht nicht okay wäre. Noch jemand anderes meint, ich könne zum Tierarzt gehen, aber der müsse dann seinen Job machen…

Am nächsten Tag bringt mein Mann den Hahn zur Obduktion nach Münster. Wir wollen Klarheit, egal zu welchem Preis. Es dauert einige Tage bis das Ergebnis vorliegt:

Unser Hahn war absolut gesund. Er verstarb an akutem Herzversagen.

Den schriftlichen Befund in der Hand rufe ich beim CVMU an. Der Arzt, der unseren Hahn obduziert hat, ist sehr freundlich. Er klärt mich darüber auf, dass das – insbesondere bei sehr großen Hühnerrassen – im Jungtieralter häufig vorkommt. Das Herz ist offenbar nicht in jedem Entwicklungsstadium eines jungen Huhns voll belastbar.

Junge Hähne sind häufiger betroffen als Hennen.

Wir rufen bei unserer Tierärztin an um den Befund auch mit ihr zu besprechen. Sie bestätigt, was uns der andere Arzt gesagt hat. „Das ist halt so“ meint sie.

Auf der einen Seite sind wir erleichtert, dass nichts Schlimmes vorliegt. Auf der anderen Seite sind wir frustriert, weil uns niemand gewarnt hat. Selbst als es geschehen ist, drucksten alle herum. Über die Beweggründe können wir nur spekulieren.

Wir bewahren den Befund der CVMU auf, falls jemand Interesse daran hat. Aber niemand meldet sich und fragt nach.

Offenbar ist  ein plötzlich verstorbener Hahn ein Tabuthema.